Psychische Belastung bei Kinderwunsch

Eine Schwangerschaft ist etwas ganz Natürliches – könnte man meinen. Doch in meiner Praxis erlebe ich es sehr oft, dass ein Kinderwunsch, der nicht schnell in Erfüllung geht, extrem belastend sein kann.

Dabei ist es gar nicht entscheidend, welche organische Ursache dahintersteckt. Denn die psychische Komponente und der damit verbundene Stress werden von den meisten Eltern in spe als sehr viel bedrückender erlebt.

Hoffnung und Enttäuschung so nahe beieinander

Vielleicht haben Sie es auch schon erlebt, sei es selbst oder im Freundeskreis. Ein negativer Schwangerschaftstest oder das Einsetzen der Monatsblutung wird als Enttäuschung und Versagen erlebt. Die emotionale Belastung, manchmal auch in Kombination mit Torschlusspanik wird immer größer.

Jeden Monat hoffen Sie, und klarerweise tut es unendlich weh, wenn diese Hoffnung wieder enttäuscht wird. Ich sehe in meiner Praxis dazu auch viele Frauen (und auch Paare), die sich mit Schuldgefühlen, Trauer, Scham und Kontrollverlust herumschlagen.

Auch wenn Sie rational wissen, dass es nicht Ihre Schuld (was für ein unpassendes Wort in diesem Zusammenhang!) ist, haben Sie Schuldgefühle. Sie müssen doch etwas falsch machen, wenn es bei allen anderen klappt und nur bei Ihnen nicht! Das stimmt natürlich nicht, und ein unerfüllter Kinderwunsch betrifft mehr Paare, als Sie denken. Aber die Scham und das Gefühl, dass Ihnen die Kontrolle über den eigenen Körper entgleitet, können sehr übermächtig werden.

Letzter Ausweg Kinderwunschklinik?

Viele Paare sparen sich in dieser Situation dann eine Kinderwunschbehandlung in einer renommierten Klinik vom Mund ab. Hormonbehandlungen, immer wieder Spritzen, neue Arzttermine, künstliche Befruchtung – all das kann klappen, es kann aber auch nach hinten losgehen. Denn zusätzlich zu der finanziellen Belastung kommt der Druck, dass es doch nun endlich funktionieren muss – bei all der Mühe und ärztlichen Kunst! Und schon haben Sie noch mehr Stress als vorher, zusätzlich zu dem Hormonchaos.

Deswegen ist ein möglichst frühzeitiger Beginn einer Kinderwunschbehandlung empfehlenswert. Haben wir erst einmal organische Ursachen gefunden, lassen sich diese sehr oft behandeln, egal, ob auf Seiten der Frau oder des Mannes. Und je weniger Zeitdruck Sie haben, desto höher sind Ihre Erfolgschancen.

Unerwünschte Kinderlosigkeit als Tabuthema

Ungewollte Kinderlosigkeit ist nach wie vor ein gesellschaftliches Tabuthema. Das ist in unserer modernen Zeit erstaunlich. In meinen Gesprächen mit betroffenen Paaren habe ich festgestellt, dass für viele ein offener Umgang mit diesem Thema sehr schwierig ist.

Als ob der Druck, den Sie sich als Paar selber machen, nicht schon groß genug wäre, gibt meist das Umfeld auch noch seine (ungefragte) Meinung dazu. Denn ein Leben ohne Kinder wird von der Gesellschaft nach wie vor gerne diskutiert und analysiert. Zusätzlich kommen dann noch unaufgeforderte Ratschläge wie „Ihr müsst euch bloß entspannen“ oder „Macht euch nicht so viel Druck“. Diese Sätze haben noch keinem geholfen – ganz im Gegenteil, solche Aussagen können das Gefühl des Versagens und den Selbstzweifel erst recht schüren.

Unerfüllter Kinderwunsch als Belastungsprobe für die Seele

Ungewollte Kinderlosigkeit ist eine extrem starke Belastung. Manche Paare trifft der unerfüllte Kinderwunsch so schwer wie der Tod von nahen Angehörigen oder eine lebensbedrohende Erkrankung. Diesen psychischen Stress müssen Körper und Seele verarbeiten. Dazu ziehen sich Betroffene oft sozial zurück und fühlen sich der Situation völlig ausgeliefert. Dass das dann nicht dazu führt, dass der emotionale Druck leichter wird, ist völlig klar.

All das beeinflusst die Lebensqualität von Paaren mit unerfülltem Kinderwunsch erheblich. Letztendlich kann ein unerfüllter Kinderwunsch auch und besonders die Seele krank machen. Depressionen als Folge eines Lebenstraumes, der sich nicht erfüllt, sind nicht selten.

Kinderwunsch-Burnout oder Burnout im Kinderwunsch?

In diesem Zusammenhang erscheint es auch logisch, dass das verzweifelte Bemühen um eine Schwangerschaft derart viel Stress verursachen kann, dass es zu einem Burnout kommt. Ein Burnout ist ein Zustand, in dem sozusagen Ihr Akku einfach leer ist und Sie keine Möglichkeit mehr haben, diesen aufzuladen.

In manchen Fällen führt der Stress des geplanten Sex, das ständige Kontrollieren des Hormonspiegels oder das ständige Nachfragen der Familie, wann es denn so weit sei, zum Burnout. Andere spüren, dass sich ihr Leben nur mehr um das Thema Schwangerschaft dreht und empfinden das als extreme Belastung.

Wie auch immer sich das für Sie darstellt und anfühlt – wenn Sie spüren, dass der Kinderwunsch sich verselbstständigt und Sie und Ihr Partner darunter leiden, ist es höchste Zeit, etwas dagegen zu unternehmen.

Auswirkungen auf die Partnerschaft

Und damit sind wir auch schon bei einem weiteren sehr wichtigen Aspekt: die Belastungen, denen Ihre Partnerschaft ausgesetzt ist.

Natürlich geht ein Kinderwunsch immer beide Partner an und gerade, wenn es nicht so klappt wie gewünscht, sollten Sie erst recht zusammenhalten und sich gegenseitig den Rücken stärken.
Das ist aber nicht immer so leicht. Abseits des Kinderwunsches haben Sie beide auch noch ein anderes Leben mit Job, Freunden und Hobbies. Ist vor allem über längere Zeit das Thema Kind das einzige Thema und dreht sich alles nur mehr um Ihren Eisprung? Ihr Partner muss das Fußballtraining mal wieder absagen, weil das die fruchtbarste Zeit wäre? Das kann zu Frustration und Spannungen führen. Genauso können unbewusste Schuldzuweisungen über den unerfüllten Kinderwunsch Ihre Beziehung belasten.

Umso wichtiger ist es, rechtzeitig offen damit umzugehen und sich auszusprechen. Vielen Paaren fällt das in einem geschützten Rahmen und einem neutralen Ort wie in meiner Praxis leichter als zuhause.

Die Bedeutung der eigenen Kindheit

Logischerweise stellen Sie sich irgendwann die Frage nach dem „Warum“. Viele Selbsthilfebücher sehen da einen Zusammenhang von Defiziten der eigenen Kindheit und dem unerfüllten Kinderwunsch. Sie würden unbewusst sich einer Schwangerschaft verweigern, weil Sie sich von den eigenen Eltern nicht angenommen gefühlt haben. Oder Sie seien unbewusst noch nicht reif für die Elternschaft.

Ich stehe diesen Annahmen sehr skeptisch gegenüber. Denn nur ein kleiner Prozentsatz der Fruchtbarkeitsstörungen sind wirklich rein psychisch. Es lassen sich auch keine Hinweise darauf finden, dass Menschen mit unerfülltem Kinderwunsch schlechtere Beziehungen zur eigenen Familie haben. Solche Schuldzuweisungen und Selbstergründungen können eher depressiv und wütend machen als zur Lösung des Problems beitragen.

Hingegen finde ich es sehr wichtig, herauszufinden, ob tatsächliche familiäre seelische Schwierigkeiten den Umgang mit der Kinderlosigkeit beeinflussen. Denn durch die Auseinandersetzung mit Themen aus Ihrer Kindheit können Sie die eigenen Wünsche und Bedürfnisse besser kennenlernen. So kann es sein, dass wenig wertschätzende oder fehlende Bezugspersonen ein instabiles Selbstwertgefühl ausgelöst haben und damit vielleicht die Sorge, ohne ein Kind nicht als erwachsene Person wahrgenommen zu werden.

Es kann auch ein Thema Ihrer Familie gewesen sein, dass die eigene Identität und Bestimmung weitgehend nur als Mutter, seltener als Vater, gesehen wird. Vielleicht erhoffen Sie sich unbewusst, dass sich durch Kinder die Beziehung zu Eltern oder Schwiegereltern verbessert.

Das sind mögliche Aspekte, die aber in den allermeisten Fällen nicht die Ursache eines unerfüllten Kinderwunsches sind. Genaueres können wir in einem psychologischen Gespräch erarbeiten, wenn sich die Notwendigkeit ergibt.

Frühzeitiger Ausweg aus Angst, Schuld und Depression

Ein unerfüllter Kinderwunsch kann also nicht nur zur persönlichen Belastungsprobe werden, sondern auch krank machen. Die seelischen Folgen dieses Gefühlschaos müssen deshalb genauso behandelt werden wie die körperlichen Ursachen.

Dass Sie dieses schwierige und schmerzhafte Thema als Paar offen ansprechen und auch über die seelische Belastung reden können, ist ein unverzichtbares Fundament für den herausfordernden Weg zum Wunschkind. Speziell vor einer Kinderwunsch-Behandlung sollten alle Beteiligten ihre persönlichen Grenzen für sich selbst abstecken und kommunizieren. Es muss aber allen klar sein, dass vor dem Beginn der Kinderwunsch-Therapie das körperliche und seelische Ausmaß nur schwer einzuschätzen ist.

Da das Bereden dieses sensiblen Themas selten einfach ist, biete ich Ihnen eine psychologische Unterstützung während der Kinderwunsch-Zeit/Behandlung an. Eine solche psychologische Begleitung kann Ihnen beim Umgang mit der emotionalen Belastung helfen.

Haben Sie noch Fragen oder möchten Sie gerne einen Termin für ein Erstgespräch vereinbaren? Sprechen Sie mich einfach an, ich bin gerne für Sie da!