Hochsensibilität

Hochsensibilität – ein besonders empfindliches Nervensystem

Hochsensibilität begründet sich in einem besonders empfindlichen Nervensystem. Hochsensible Menschen nehmen Reize und Feinheiten viel stärker wahr (umfangreichere Reizverarbeitung im Gehirn) und reagieren dementsprechend wesentlich intensiver darauf (gründlichere Informationsverarbeitung). Sie haben besondere Wesenszüge, aber auch stärkere emotionale Reaktionen als andere (nichtsensible) Menschen und benötigen meist längere und ausgedehntere Erholungsphasen.

Hochsensibilität ist ein Persönlichkeitsmerkmal und findet sich bei ca. 20% der Bevölkerung – Quelle: Forschungsergebnisse von Dr. Elaine Aron, US-amerikanische Psychologin. Dr. Elaine beschreibt Hochsensibilität als ein Gesamtpaket an Merkmalen im Sinne einer gründlicheren Informationsverarbeitung, emotionalen Intensität, Übererregbarkeit und sensorischen Empfindlichkeit (4 Pfeiler nach Dr. Elaine Aron).

Hochsensibilität – sensible Persönlichkeitsmerkmale

Damit gemeint sind beispielsweise

Gründlichere Informationsverarbeitung

  • tiefgründige Gedanken oder zu viel Denken
  • viel Nachdenken über den Sinn des Lebens, den Gang der Welt, Sinnieren
  • sehr starke Gewissenhaftigkeit, überraschendes Maß an Erkenntnis
  • tiefgründige Gefühle, Vorahnungen
  • betroffen sein angesichts des Leid anderer Menschen

Übererregbarkeit

Ein hohes Maß an Übererregung meint ein hohes Maß an Stimulation, also die Verarbeitung von Reizen. Dies kann sich beispielsweise in einer gefühlten Überflutung von Emotionen anderer Menschen spürbar machen. Manchmal können Unbehagen, Leistungsverschlechterung, Verwirrtheit oder große Nervosität hinzukommen. Eine Übererregbarkeit führt zur Aktivitätssteigerung des sympathischen Nervensystems (also dem Nervensystem, das für die Reaktionen Angriff oder Flucht verantwortlich sind). Spürbar wird dies mit einer schnelleren Herzfrequenz, schnellerer Atmung oder schwitzen.
Wird dieses Nervensystem jedoch permanent aktiv und fehlen Erholungsphasen, so kann dieser chronische Stress zu Überlastung und Überforderung führen.

Sensorische Empfindlichkeit

Sensorische Empfindlichkeit meint, wie Reize verarbeitet werden. Also beispielsweise Lärm, eine Reizüberflutung am Arbeitsplatz oder unterwegs (zu viel Lärm, Geräusche, Gerüche).

Emotionale Intensität

Bei hochsensiblen Menschen sind stärkere emotionale Reaktionen beobachtbar. Hochsensible sind leicht zu Tränen durch Freude, Trauer oder Dankbarkeit gerührt. Sie zeigen sehr viel Empathie, viel Mitgefühl und Einfühlungsvermögen für Mensch und Tier. Sie meinen zu spüren, was ihrem Gegenüber fehlt oder was dort gerade gebraucht wird.

Hochsensibilität im Alltag

Je nach Ausprägung der Hochsensibilität, dem Wissen über die „eigene sensible Seite“ und dem Umgang mit sich selbst und seinem „sensiblen Ich“ kann Hochsensibilität eine absolute, alltägliche Herausforderung sein. Eine dauerhafte Übererregung durch eine Überstimulation (Reizüberflutung) kann zu chronischem Stress, Unbehagen und Leistungseinschränkungen führen. Durch die sensiblen Persönlichkeitsmerkmale fühlen sich Hochsensible wie eine Art „Schwamm“, die die Reize und Gefühle der Umgebung nur geradezu aufsaugen. Dadurch fühlen sie sich oft energielos, benötigen viel Ruhephasen und ziehen sich gerne zur Erholung zurück. Durch diesen Rückzug, welcher für den nicht-sensiblen oft nicht nachvollziehbar scheint, werden Hochsensible oft als introvertiert bezeichnet. Nicht selten haben Hochsensible Probleme mit ihrem Selbstwertgefühl und Vertrauen in sich und andere. Meist stellen sie sich selbst mit ihren Bedürfnissen hinten an und tun sich schwer, Grenzen aufzuzeigen.

Hochsensibilität & High Sensation Seeking

Eine Sonderform ist Hochsensibilität und High Sensation Seeking zugleich.
Hochsensible Menschen können gleichzeitig High Sensation Seeker (“Höhepunkt-Suchender”) sein, also extravertiert und auf der Suche nach Herausforderungen/was Neuem sowie sensibel sein. Da sich HSS (High Sensation Seeker) gern langeweilen, probieren sie immer wieder was Neues aus, handeln jedoch nicht impulsiv und informieren sich vorher gründlich über das neue Vorhaben und achten dabei äußerst auf ihre Sicherheit.

Hochsensible High Sensation Seeker haben jedoch täglich einen inneren Konflikt, der auch für das äußere Umfeld wahrnehmbar ist: irgendwo leidet der Hochsensible unter den Wesenszügen seiner Hochsensibilität, der High Sensation Seeker legt aber noch einen drauf. Ein Fuß steht demnach auf der Bremse, der andere tritt jedoch noch kräftig gleichzeitig aufs Gaspedal.

Hochsensibilität in Partnerschaften und Beziehungen

In Partnerschaften und Beziehungen hochsensibler und nichtsensibler Menschen können sich immer wieder Probleme in den Mittelpunkt stellen, die den Umgang mit Konflikten, dem Temperament und der Sexualität sensibler Menschen nicht gerade leicht machen. Auch die Angst vor Verbindlichkeit und Schüchternheit spielen hier eine zentrale Rolle. Der Hochsensible möchte mit seinem Partner über vieles in der Beziehung sprechen, tiefgehend und ausführlich besprechen. Der Hochsensible denkt viel über die Beziehung nach, macht sich über alles Mögliche Gedanken und wägt permanent ab. Für einen nicht-sensiblen Partner scheinen diese Gedanken- und Verhaltensweise jedoch als überflüssig und können oft gar nicht verstanden oder nachvollzogen werden.

Hochsensibilität als Traumafolge

Hochsensibilität kann Folge eines Traumas, eines traumatischen Erlebnisses sein. Vorgeburtliche Trauma oder Traumata in der frühen Kindheit wie Entwicklungstrauma oder Bindungstrauma prägen uns schon in den ersten Lebensjahren stark und können uns in unserer Entwicklung beeinflussen. So können sich traumatische Erfahrungen beispielsweise als Defizite im Vertrauen, Selbstwertgefühl oder Selbstbewusstsein zeigen (“ich bin es nicht wert, ich bin nicht gewollt/geliebt…”) oder auch in bestimmten Verhaltensweisen.

Hochsensibilität und psychische Krankheiten

Eine ausgeprägte Hochsensibilität kann sogar einigen psychischen Krankheiten bzw. Störungsbildern ähneln. Sie kann häufig auch zusammen mit psychischen Störungen und Krankheiten auftreten.

Die Vorliebe von Hochsensiblen, gewisse Dinge erstmal auf alle Möglichkeiten und Konsequenzen zu prüfen, kann für Außenstehende wie eine Angststörung wirken, stärkere emotionale Reaktionen könnten beispielsweise mit Zyklothymie verwechselt werden oder ständige Ordnung und vorbeugendes Prüfen mit Ausschluss von Risiko vor etwas Neuem könnte einem Zwang sehr ähneln. Chronischer Stress und die permanente Reizüberflutung können Symptome hervorrufen, die wiederum einer depressiven Symptomatik ähneln können. Gerade bei jüngeren Menschen wird die Hochsensibilität oft nicht erkannt und der “Patient” bekommt dann fälschlicherweise den Stempel “ADHS” oder “Autismus” aufgedrückt.

Für die therapeutische Arbeit ist es unabdingbar, Hochsensibilität vor allem zu erkennen und zu verstehen, um Hochsensibilität so von vielen Störungen zu unterscheiden, mit denen man sie verwechseln kann. Umso wichtiger ist es, die Kausalitäten und Zusammenhänge von Hochsensibilität und negativen Gedanken und Gefühlen und das Verhalten des Hochsensiblen genau zu betrachten.

Meine Praxiserfahrung zeigt, dass es sich immer bewährt, bei Hochsensibilität auch die Ursache eines Traumas bzw. traumatischen, unverarbeiteten Erlebnisses in Betracht zu ziehen.

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